Gut beschirmt?
Den Maienregen und dessen MUSS hab ich an anderer Stelle schon ausführlich in Betracht gezogen - siehe Streiflicht http://www.edition-hollerbusch.de/content/view/207/52 und Wiederholungen gefallen nicht immer, wie vor langer Zeit ein römischer Kaiser konstatierte.
Heute geht es darum, sich eines Utensils zu widmen, dem ich so gar nichts abgewinnen kann und das dennoch eine Erfindung ist, die ihresgleichen lange sucht: Der Schirm - beachten Sie bitte, dass hier die genaue Zweck-Zuordnung fehlt und das hat seinen durchaus logischen Grund.
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An einem Tag dieser Woche kam vom Himmel, was da nur kommen wollte. Für den Regen gibt es durchaus etliche Begriffe und Namen, als da wären Niesel, Schauer, Guss, Landregen, Regenfall und Ihnen, liebe Gäste der edition hollerbusch, fallen bestimmt noch eine ganze Reihe anderer Bezeichnungen ein, die ihrem Namen dann die Ehre geben. Der Regen, von dem ich spreche, hatte den ganzen Tag über nur eine Bezeichnung verdient, nämlich grauer Schauer. Die Tropfen waren von der Sorte, die dick und schwer und sehr sehr nass auf mich und andere klatschten und doch musste ich mit dem Rad unterwegs sein. In der Literatur und anderswo findet der schicksalsschwere Satz „es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur falsche Bekleidung" seinen Niederschlag (im wahrsten Sinn des Wortes, nicht?) und deshalb wiederhole ich ihn hier nicht, diesen Satz.
Bin ich auf dem Rad unterwegs und es regnet, habe ich mindestens eine Jacke mit Kapuze, sinnigerweise regendicht, oder auch einen Regenponcho - ebenfalls regendicht! - an. Im Leben würde ich nicht auf die Idee kommen, per Rad unter einem Schirm, in diesem Fall einem Regenschirm meinen Weg zu machen. Wie sieht das aus und vor allem: Wie unpraktisch ist das denn?
Ich halte den Schirm an sich schon für eine unpraktische Angelegenheit (siehe Streiflicht http://www.edition-hollerbusch.de/content/view/401/52/ - weil die Hände nicht frei sind und ich einen steifen Arm bekomme. Und das alles noch auf dem Fahrrad? Nie im Leben. Da weich ich lieber durch und vermutlich ist das auch genau so wenig gestattet (also nicht das Durchweichen, sondern das Schirmhalten auf dem Rad), wie ein Handy am Lenkrad eines Autos.
Um auf diesen Tag zurück zu kommen, als ich unterwegs sein musste und meine Hosenbeine schon von Wasser trieften, weil sie sich nicht im Bereich der schützenden Regenjacke aufhalten konnten - wurde ich von einer Radfahrerin überholt, die, besagten Schirm aufgespannt über sich führend, durch die Pfützen radelte. Es ist überflüssig zu erwähnen, dass sie nicht besonders vergnügt aussah. Eher war ihre ganze Haltung verkrampft, weil der Regen keineswegs allein sein Wesen trieb; er hatte dazu auch noch ein paar wilde Windsbräute im Schlepp, die dank der Häuserschluchten in unserer Stadt ganz schön hemmungslos waren.
Die Radlerin hatte sichtlich Mühe, den Schirm und auch die Balance auf dem Rad zu halten. Nachdem sie mich gänzlich überholt hatte - rechts! - sah ich, dass ihr Schirm ein paar Male seinen negativen Eigenschaften nachging und nach oben zusammenklappte. Aber sie, eine wahre Meisterin in Geschicklichkeit, schaffte es, ihn wieder in seine ursprüngliche Gestalt zu verwandeln, vermutlich gelang es ihr nicht ganz, ohne selbst dabei nass zu werden, denn der Schutz in ihrer Hand war zeitweilig nur noch halb zu gebrauchen.
Dann war sie fort und meine Gedanken hingen ihr und ihrem Schirm nach. Ich erlebte ein flash-back, so nennt man es wohl, wenn einem plötzlich Bilder in den Kopf kommen, die aus dem ganz entfernten Teil des Langzeitgedächtnnisses nach oben spülen (durch den Regen bekommt das Wort „spülen" eine ganz eigene Dynamik). Ich erinnerte mich an eine Zeichnung in einem Buch, welches im elterlichen Bücherschrank stand und mir zugänglich war. Ich ging noch nicht zur Schule, konnte noch nicht lesen, aber die Zeichnungen in diesem Buch fand ich spannend. Da war ein Mann abgebildet, der trotz offensichtlicher Hitze Fellkleidung trug und auf das Meer schaute. Er hielt in der einen Hand ein Gewehr und in der anderen einen Schirm. Einen Sonnenschirm. Der Mann hieß Robinson Crusoe. So zählte ich nun eins und eins zusammen und kam zu der Erkenntnis, dass der erste Schirm, den ich bewusst wahrnahm, ein Utensil sein musste, das mit strahlendem Sonnenschein und Ferien in Verbindung zu bringen ist. Positiv und gar nicht unpraktisch. Wieso denke ich eigentlich bei Regenschirmen nicht genau so? Das frage ich mich seit dem Regentag auf dem Rad.
Robinson Crusoe;