Der Abend, an dem der Mond lächelte
Es wird Vollmond sein. Ein besonders voller und am klaren Himmel sichtbar. Seit Tagen zeichnet es sich ab, dass Hamburg den Sommer einfangen wird. Jeden Tag ein wenig mehr. Und jeden Tag zeigt sich der Mond ein wenig voller.
Es ist an der Zeit. Heute werde ich es schaffen, endlich mal wieder ein paar Fotos zu machen. Vom Mond. Oder von Sister Moon. So klar und wunderschön, wie sie in der Nacht vorher schon am Himmel stand, werde ich sie bannen. Nur so. Für mich.
Die Rechnung ist folgende: Dienstag erschien der Mond über den Dächern von Winterhude gegen 22 Uhr. Bis zur Vollendung wird er nun jeden Tag so um die 25-30 Min. Später aufgehen, bedeutet: Am Donnerstag (morgens um 4.22 Uhr ist Vollmond) wird er gegen 22.45 Uhr wieder voll zu sehen sein (ungefähr). Nicht zu pingelig, es ist schließlich nichts, was man mit einer Stempelkarte beweisen müsste.
Um 22 Uhr packe ich meine Tasche. Kamera, Brille, eine Fl Wasser und ein wenig Schokolade. Eine Expedition wie diese verlangt doch ein wenig Ausrüstung. Leicht bekleidet, es ist ein warmer Sommerabend und ich freue mich.
Mit dem Rad durchquere ich den nahegelegenen Park. Auf der großen Wiese ist kaum ein Fleckchen unbesetzt. Alles schwatzt und die ganze fröhliche Schar hat zudem noch ein Erlebnis direkt vor Augen. Mitten im Park steht ein Löschzug der Hamburger Feuerwehr. Ich denke noch so bei mir: Nett, die sprühen bestimmt Wasser auf die erhitzten Körper. Sie sprühen. Aber das Wasser ist Löschwasser und dient dazu, ein Feuer in einem brennenden Müll-Container zu löschen. Hat irgendwer, dessen Gehirnzellen von der Sonne überhitzt sein mögen, vermutlich eine brennende Kippe hineingeworfen – oder anderes, was dort nicht im brennenden Zustand hinein gehört.
Aber was geht mich das heute an. Ich bin auf dem Weg zu einer Fußgängerbrücke über die Alster, die eine freie Sicht auf den Himmel über der Stadt zulässt.
Da ist sie schon, keine fünf Minuten von meiner eigenen Haustür entfernt. Ich stelle mein Rad ab und suche mir ein Stück Geländer, über das ich mich hängen kann (also nicht so weit....., nur als Stütze). Die Kamera mache ich startklar und fotografiere schon mal um mich herum die anderen sehenswerten Dinge: Am Leinpfad sitzen Menschen in glücklicher Stimmung im Café und genießen das Wasser, die schnatternden Enten (die sie mal wieder verbotener Weise füttern, mit Brot vermutlich, ganz falsch, aber die Enten und die Menschen macht es froh) und den Sommer in der großen Stadt. Hin und wieder paddelt ein Kanu vorbei oder ein Trio auf stand-up-Brettern, die seit ein/zwei Sommern die Alster und diesen neuen Sport für sich entdeckt haben. Sie biegen ab in ein dunkles Loch, vermutlich einen Alsterkanal, das ist von hier nicht auszumachen.
Meine Kamera fängt auch die Abendstimmung auf gegenüberliegender Seite ein. Rötlich der Horizont, malerisch, Caspar David Friedrich lässt grüßen (war er mal hier an unserer Alster?) Die Trauerweiden pendeln im Wasser und der übrige Baum beneidet seine hängenden Zweige. Könnte er wie er wollte, würde er seine Wurzeln lösen und waten.
Über allem fliegt ein Reiherpaar und lässt sich etwas weiter weg auf der Vogelinsel nieder, deren Silhouette durch charakteristische Baumschatten unschwer auszumachen ist.
Der Mond hat Verspätung. Vielleicht sollte ich eine Brücke weiter Stellung beziehen, kurz vor der Brücke, die mit Gleisen die Alster überquert. Eine weitere von Hamburgs Brücken.
Gesagt, getan. Ich radele das kleine Stück die Straße längs, treffe noch ein paar Freunde, die in eigenen Geschäften unterwegs sind und es irgendwie eilig haben, nach Hause zu kommen. Eilig? An einem solchen Abend? Man muss die Sommertage feiern wie sie fallen, oder?
Die Brücke, die ich jetzt als Standort auswähle, ist belebter als die letzte, weil – es handelt sich um eine Straßenbrücke, auf der sowohl Fußgänger, Radfahrer als auch Autos unterwegs sind – und Buslinien darüber führen. Nicht ganz so schön, dieser Standort. Aber ich denke mir, bald muss der Mond ja auftauchen. Es geschieht aber nichts. Ich schaue auf die Uhr. Habe ich mich verrechnet? Kommt er noch eine halbe Stunde später? Ich warte noch ein wenig, dann beschließe ich, wieder zur Fußgängerbrücke zurück zu radeln. Wenn er dann nicht auftaucht, fahre ich heim.
Mein Warten führt zu keinem Ergebnis. Der Mond ist noch nicht einmal ansatzweise zu sehen. Komisch. Sein leuchtendes Gesicht müsste längst hinter den Bäumen, die noch vor den Dächern stehen, aufgegangen sein. Mindestens aber müsste sein heller Schein eine Ahnung erlauben. Nix.
Da packe ich meine Siebensachen und drehe dem ganzen den Rücken zu. Ich steige aufs Rad und fahre die abschüssige Fußgängerbrücke hinunter. Unten drehe ich mich noch einmal um, ein Geräusch war da, irgendwas. Und da steht er am Himmel. Leuchtend orange und wunderschön und er lächelt. Und er sagt: Na, hab ich dich gefoppt? Ja, antworte ich, das hast du. Und ich mache ein paar Fotos von Sister Moon, der Schönen.
Und wo ich schon unterwegs bin, fahre ich mit meinem Rad durchs Viertel. Jetzt, wo der Mond den Himmel erobert hat und mich begleitet, jetzt genieße ich den Abend mit Wärme von innen und außen.
Ich spüre noch ein paar schöne Momente an der Alster und an anderen Brücken auf (daran mangelt es uns hier wirklich nicht, an Brücken, und viele von ihnen sind begehbar). Und zum Abschluss entdecke ich an einer Brücke eine wunderschöne alte Laterne, die ich noch nie gesehen habe (wie auch, diese Brücke habe ich noch nie genutzt; bei 2500 Brücken nimmt es nicht wunder).
Trunken, als hätte ich einen schweren Wein intus, kehre ich heim und nehme mir vor, in diesem Sommer mindestens noch ein/zwei Brücken, die ich noch nicht kenne, aufzusuchen. Möglichst mit Mond.