Sammlungen

oder: Und was ist Ihr Hobby?

Als vor Jahren die zehnte Freundin freudestrahlend in unserem Kreis verkündigte, sie sammle jetzt auch Eulen, hatte ich die Nase gestrichen voll und erklärte meinerseits, nun Frösche sammeln zu wollen. Das war vor etwa 30 Jahren. Es war mehr eine Art von Trotzreaktion auf das Eulenfieber, das alle befallen hatte. Und ich hatte nichts dergleichen zu bieten. Deshalb also Frösche.

 

Mit der Zeit sammelte sich die stattliche Anzahl von rund 250 Fröschen, bronzen, silbern, golden, aus Glas, aus Bernstein, aus Onyx, tönern und hölzern, aus England, Mexiko und anderswo, wunderschön oder hübsch hässlich, zum Aufziehen, quakend oder stumm, aus Vogelfedern und ordinärem Plastik, aus Blech oder aufblasbar, als Stöpsel in der Badewanne und mit Knopf im Ohr, nicht gezählt die unzähligen Zeichnungen, Postkarten, ja, sogar Briefmarken mit Fröschen darauf bei mir an. Von lieben Menschen liebevoll ausgesucht und geschenkt. Nie wäre ich auf die Idee gekommen, dass es so viele verschiedene Exemplare gibt.

 

Ich verhehle nicht, dass ich tatsächlich im Laufe der Zeit eine echte Liebe zu Fröschen entwickelt habe. Was auch nicht verwunderlich ist. Wir Frauen sind doch stets auf der Suche nach dem Prinzen dahinter. Längst sind alle Plätze jedoch besetzt und ich schreie nur noch: Bitte aufhören! Allein, mein Schrei verweht mit dem Wind. Es bleibt nicht aus. Immer noch rollen neue Frösche an. Wie in dem Gedicht vom Zauberlehrling, der die Geister nicht wieder los wurde, die er rief.

Natürlich freute es mich, wenn ein besonders hübsches Exemplar den Weg in meine vier Wände fand. In diesem Zusammenhang vergesse ich auch nie, zu welchen abstrusen Geschichten meine Wünsche damals geführt haben. Ich hatte in einem Hamburger Kaufhaus ganz besondere ausgefallene Frösche gesehen. Auf Seerosenblättern, feingliedrig geformt aus dünnem Porzellan; mit großer Liebe zum Detail waren die Gliedmaßen gefertigt, handbemalt, nicht ganz billig. Davon wünschte ich mir einen. Zum nächsten Geburtstag beauftragten nun ein paar Freunde von mir eine Bekannte mit dem Kauf. Wenn man nicht alles selber macht....! Am Tag der Geschenkübergabe wickelte ich mit großer Vorfreude das bunte Papier ab und ... mir blieb die Luft weg. Etwas Hässlicheres hatte ich vorher nie zu Gesicht bekommen. Aus dickem Gips gefertigt glubschten mich gleich zwei Exemplare an, lasziv hingegossen auf nicht minder hässlichen Gipsblättern. Stolz erklärte besagte Bekannte, dass sie diese ”Frösche” viel billiger in ihrem Blumengeschäft bekommen hätte, und deshalb wäre sie in der Lage gewesen, zwei für noch weniger als das eine Exemplar aus dem Kaufhaus zu erstehen. Es wäre sogar noch Geld für einen kleinen Blumenstrauß dabei übrig gewesen. Da blutet einem echten Sammler das Herz. Das ist so, als ob ein Münzsammler auf eine spanische Golddublone wartet und dann den Blech-Chip vom Aldi-Einkaufswagen erhält, weil, das ist schließlich auch eine Münze.

Beschwert habe ich mich damals im übrigen nicht. Ich machte gute Miene und verleibte die beiden Scheußlichkeiten in meine Sammlung ein.

 

Ich vermute, dass die Sammler-Leidenschaft den größten Kreis der Hobbyisten ausmacht. Nehmen wir mal die Briefmarken-Freunde, die durch ihr Hobby nicht selten ein kleines Vermögen ansammeln. Schön anzusehen sind die kleinen gezackten oder ungezackten Bildchen. So ein ausgereifter Briefmarkensammler besitzt neben diesen philatelistischen Kostbarkeiten häufig ein großes geographisches Wissen, eine beleuchtete Leselupe und eine Pinzette, mit der er - einem Uhrmacher nachempfunden - die winzigen gedruckten bunten Papierchen sorgsam in den Leisten der Alben verstaut. Ruhig sitzt der Sammler und freut sich an den Marken, die Geschichten erzählen könnten, verliehe man ihnen eine Sprache. Es gibt kein Land auf der weiten Welt, das nicht postalisch erreichbar wäre. Und in jedem dieser Länder gibt es Menschen, die einander schriftlich was zu sagen haben. Das kostet Porto. Ob wohl jemand sich mal die Mühe gemacht hat, die Mengen an Speichel auszurechnen, die per Post unterwegs sind? Der sich die Marken in das Album steckt, gehört zu den Genießern. Lange kann er seine Marken betrachten und darüber nachsinnen, wer sie wohl in der Hand (oder auf der Zunge) gehabt hat. Dann kann er die kleinen Zacken betrachten und den Stempel mit dem Datum und dem Absendeort, falls noch lesbar. Er ist ein ganz Stiller. Ich stelle mir vor, dass er bei seinen Briefmarken entspannt wie andere Leute während eines autogenen Trainings. Mit einer zweiten Lupe sucht er auf den Bildchen nach kleinen Ungenauigkeiten und freut sich spitzbübisch, wenn er einen Fehldruck entdeckt. Bei Briefmarken soll den Wert steigern, was bei Banknoten übel ausgehen kann. Da liegen die neuesten Errungenschaften ausgebreitet vor dem Sammler auf dem Tisch. Gerade hat er sie nach Ländern sortiert und ist nun dabei, die einzelnen Werte per Katalog festzustellen. Die Abendsonne scheint in das geöffnete Fenster, die Amseln singen draußen vergnügt, und die Meiseneltern suchen für ihre Jungen Futter. Der Jasmin blüht und duftet herein. Da öffnet ein Briefmarkenbanause die Tür und betritt ungefragt den Raum. Der Gegenzug, der entsteht, fegt alles vom Tisch. Auch die Ersttagsmarke aus der neu entstandenen Republik. Herr Philatelist bekommt einen Tobsuchtsanfall. Aus ist es mit der Ruhe. Die Entschuldigungen des Eindringlings hört er nicht. Er kraucht schon auf den Knien durchs Zimmer, den Blick verzweifelt auf den Boden gerichtet. Alles findet sich wieder, nur die Ersttagsmarke bleibt verschwunden. Vermutlich ist sie ein Bündnis mit dem Efeu vor dem Fenster eingegangen und wird es vorziehen, dort zu bleiben. Das kommt dabei heraus, wenn man in solche leichtfertigen Dinge vernarrt ist.