An manchen Stunden oder Tagen,

wenn in den Fenstern sich die Sonne bricht,

werf ich die Fesseln von den Beinen,

die mich sonst fest am Boden halten.

Dann spür ich keine Plagen

und mein Körper kein Gewicht,

bin mit der Seele ganz im Reinen;

und mein Gesicht zeigt keine Sorgenfalten.

 

Der freie Himmel über mir,

ein Vorgefühl, erregend und gefährlich schön,

verführen mich zu einem Flug ins All.

Unter mir entschwinden Städte, Bäume,

die ganze Festigkeit der Erde lass ich hier

mit ihrem hoffnungslosen Zeitgeschehen,

dem Kampf um Öl, Uran und glänzendem Metall

und tauche ein in lebensfrohe Träume.

 

Die Augenlider senken sich,

die Arme werden mir zu Vogelschwingen,

gierig saugt die Haut das Himmelslicht.

Ein leichter Wind streicht durch mein Haar.

Die Alltagsängste fliehen mich,

tausend funkelnde Ideen bringen

eine neue tiefe weite Sicht.

Alles ist jetzt wandelbar.

 

In einer nie geklärten Dimension

Verbinde ich mich in des Äthers Blau.

Ich fühle weder Hast, noch Schmerz, noch Enge.

Die Einsamkeit hier oben stört mich nicht.

Mein Seelenleben färbt sich schon

und ist nicht länger fahl und grau.

Es ist befreit vom dichten Erdgedränge,

durchwärmt vom Lebensspender Sonnenlicht.

 

Das Leben, das im Alltagstrott

schon fast versiegte - es wird neu durchglüht.

Und immer höher tragen mich die Lüfte

in Regionen, die ich vorher nie gesehen.

In Sphären - jenseits allem Spott -

wo kein gebeugtes Kreuz sich müht,

wo Wolkentäler, -berge, -klüfte

sind, muss alles Irdische vergehen.

 

Da trifft mich klar und wild der Sturm.

Er ist der Meister hier am Himmelszelt.

Der ungezähmte Rausch - er lässt mich schwanken,

jedoch die Kraft des Siegers hält mich fest

und schüttelt mich, mich kleinen Erdenwurm.

Weit unter mir liegt jetzt die Welt

mit ihren irren wirrenden Gedanken,

wo keine Hoffnung mehr auf Rettung ist.

 

Den Elementen überlasse ich mich ganz,

ich atme tief die Luft, die um mich tost,

mit allen Fasern, allen Sinnen.

Den Sternen nah, der Abgrund öffnet sich,

die Himmelsmächte spielen auf zum Tanz,

während ein wildes Feuer meine Seele kost.

Der Fall? Ich weiß, ich kann es nicht gewinnen.

Doch stille jetzt! Noch fliege ich.

(veröffentlicht in "Im Zeitalter der Heuschrecke", edition feldhase, 1990;

neu überarbeitet am 21.10.06)